Grundsätzlich werden akute von chronischen Schmerzen unterschieden. Eine exakte, zeitliche Einteilung ist nicht immer möglich und auch ein erst kurz bestehender Schmerz kann bereits in kurzer Zeit chronifizieren, wenn es fördernde Begleitumstände gibt.

Der akute Schmerz (z.B. ein Tritt auf eine Glasscherbe) hat einen physiologischen Sinn: Er schützt den Körper vor weiterem Schaden! Der chronische Schmerz hat seine Warnfunktion tatsächlich verloren – es besteht keine akute Gefahr für die Unversehrtheit des Körpers, aber trotzdem werden Schmerzen empfunden. Aus welchem Grund es letztlich zu chronischen Schmerzen kommt, ist immer noch nicht vollständig verstanden, aber es gibt mittlerweile ein deutlich besseres Verständnis dafür.

So ist es letztlich das Gehirn, das Schmerzen bewusst macht. Hier kommt es zu Veränderungen der Schmerzmatrix – des sogenannten „Schmerzgedächtnisses“: es entsteht eine zentrale (im Gehirn und im Rückenmark) und periphere (an den schmerzregistrierenden Nervenendigungen) Sensibilisierung von Nervenzellen und es kommt sogar teilweise zu großflächigen Reorganisationen von Nervenzellen und deren Verbindungen im Gehirn.

Seit den 1970er Jahren erscheint das bio-psycho-soziale Modell als sehr plausibel, um eine Theorie zur Entstehung chronischer Schmerzen zu liefern. Dabei geht man davon aus, dass es unterschiedliche Faktoren gibt, die die Schmerzen beeinflussen und eine Chronifizierung fördern: Biologische Faktoren (z.B. ein Bandscheibenvorfall oder Verschleiß von Gelenken), psychologische Faktoren (z.B. eine niedergeschlagene Stimmung oder Ein- und Durchschlafstörungen) und soziale Faktoren (z.B. Bedrohung des Arbeitsplatzes oder das Aufgeben von Hobbies aufgrund der Schmerzen).

In der Regel helfen die üblichen Schmerzmedikamente, die sehr gut bei akuten Schmerzen – z.B. nach einer Operation – wirken, bei chronischen Schmerzen nicht. Trotzdem werden auch nicht (mehr) wirksame Medikamente teilweise über Jahre hinweg eingenommen – häufig sogar in einer schädlichen Dosis! Wir werden in solchen Situationen andere Medikamente einsetzen, und Ihnen den Grund für den Einsatz und die Wirkweise der Medikamente erklären.

Aus dem bio-psycho-sozialen Modell heraus ergeben sich eventuell weitere Behandlungsoptionen. So kann die Hinzuziehung anderer medizinischer Fachdisziplinen nötig sein, oder ein Besuch in der Ergotherapie, Physiotherapie oder Psychologie.

Wir verfolgen dabei in der Regel nicht den Weg der Passivität: Wir werden Ihnen – wann immer möglich – aktivierende Maßnahmen, die Ihre Mitarbeit erfordern, anbieten.

Aufgrund von möglichen Missverständnissen möchten wir darauf hinweisen, dass auch Medikamente zu einer passiven Therapie gehören! Wenn es allerdings eine wissenschaftliche Evidenz und eine Empfehlung der Medikamente in Leitlinien gibt, werden wir diese selbstverständlich einsetzen. Da diese Voraussetzungen für Cannabis derzeit nicht gegeben sind, bitten wir Sie darum, unsere Praxis nicht aufzusuchen, sollten Sie dieses Medikament zur Behandlung Ihrer chronischen Schmerzen wünschen.